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— Markus' Kochkolumne

Die Pastamacher

"An die Ursprünge des Esssens reisen, dahin, wo es wächst und lebt, wo die Natur sich verwandelt in das, was wir auf den Teller bekommen. Wir nennen ihn nur noch: le Chef!" So lautet der Einleitungstext der deutsche Ausgabe von Frankreichs ältestem Modemagazin l'Officiel. Die Geschichten und Rezepte, die wir für die Kochkolumne dieses Magazins produziert haben, können Sie an dieser Stelle lesen.

Die gute Nachricht gleich vorweg: es stimmt! Hier draussen vor den Toren der Grossstadt Berlin werden die besten frischen Nudeln diesseits der Alpen hergestellt! Ich stecke die weit und breit erste Markierungsnadel in den Brandenburger Teil meiner kulinarischen Deutschlandkarte. Da ist es: Dallgow- Döberitz im Havelland, ein kleiner Fleck westlich von Berlin, 9700 Menschen und sehr viele Pferde leben hier.

Vom Schlossplatz in Berlins Mitte führt eine wie mit dem Lineal gezogene Strasse hier heraus. Erst als Prachtboulevard, dann durch’s Brandenburger Tor, sechsspurig weiter durch den Tiergarten und als Heerstrasse durch die Villenviertel, über die schöne Havel und schliesslich als Landstrasse immer genau nach Westen. Ohne einmal abzubiegen landet man nach 45 Minuten Autofahrt in Dallgow- Döberitz. Als die Preussen noch Pickelhauben trugen, war hier draussen ein grosser Truppenübungsplatz, daher rührt sicher die gute Verbindung.
Brandenburg, müssen Sie wissen, ist ein weites Land. Es regnet hier so selten wie nirgends sonst in Deutschland. Der Boden ist stellenweise nährstoffarm bis unfruchtbar, die Landschaft sehr dünn besiedelt. Alles Bedingungen, die es den Bauern und Lebensmittelherstellern nicht gerade leicht machen. Mir will auch keine kulinarische Spezialität aus dieser Gegend einfallen, kein Klassiker, den ich probiert habe und der mir nicht mehr aus dem Kopf gehen will. Noch nicht mal eine tolle Wurst oder ein besonderer Käse, der hier hergestellt wird. Rainald Grebe singt: nimm Dir Essen mit, wir fahr’n nach Brandenburg!
Umso gespannter bin ich auf die Menschen, die sich mit ganzem Herzen und vollem Einsatz der Produktion von genussvollen Lebensmitteln verschrieben haben. Wer sitzt hier auf dem flachen Land und versteht es, Ravioli herzustellen, die tatsächlich nach Waldpilzen schmecken, wenn sie Waldpilzravioli heissen? Ist in Spinat- Ricotta Nudeln tatsächlich Spinat und Ricotta drin?

Eine Antwort darauf bekomme ich von Anke Fischer und Jean Carl Demant. Sie sind die Inhaber der Manufaktur Nudel & Co. Ich finde sie mitten in der auf Hochtouren laufenden Produktion vor. Es ist Donnerstag. Von heute an verkaufen sie, wie jede Woche, die nächsten 3 Tage auf 9 Märkten ihre Spezialitäten in Berlin und Potsdam.
Die Produktionsräume sind etwa turnhallengross und erinnern mich an meine eigene Restaurantküche, nur sind die Dimensionen viel grösser. Offensichtlich werden hier grosse Mengen hergestellt, von industriellen Massstäben ist man aber weit entfernt, eine Manufaktur also.
Ich sehe Arbeitstische aus Edelstahl, gasbetriebene Hockerkocher- niedrig gebaute Gasflammen, auf die riesige Töpfe passen- Rührwerke die so gross sind, dass die dazupassenden Kessel auf Rädern daruntergeschoben werden. Der massive Knethaken des Rührwerkes ist halb so schwer wie meine kleine Tochter Toni. Die Herzstücke der Produktion aber sind die Maschinen, die aus den Grundzutaten den Pastateig mischen, walzen, schneiden und sogar füllen können.

Anke Fischer befüllt die Maschine durch ein massives Schutzgitter mit Hartweizengriess, Eiern und Wasser aus einem grossen Messbecher. Ganz unten kommt aus einer Öffnung, zu meiner Verblüffung ein ziemlich dickes Band geschmeidiger Pastateig hervor. Wer schon mal versucht hat, Pastateig selber herzustellen, der weiss wie genau die Mischung der Zutaten stimmen muss. Und dann gibt es ja immer noch die berühmten Variablen wie „die Luftfeuchtigkeit“ und „das Wetter“ und das soll man- bitteschön- auch noch im Gefühl haben, wenn es um die Feinabstimmung der Mengen geht.

Mich beeindruckt das handwerkliche Zusammenspiel der Maschinen und der Menschen. Wenn die Maschine von erfahrener Hand mit Ware perfekter Konsisitenz gefüttert wird, liefert sie in rasender Geschwindigkeit gefüllte Ravioli, mit prallem, vielversprechenden Inhalt und zarter Oberfläche.

Die, die das mit dem Teig draufhaben, machen das mit so einer schulterzuckenden Selbstverständlichkeit, das man glauben könnte, es wäre doch gar nicht so wild, das hinzukriegen.

Tatsächlich liegt aber auch hinter diesen Pastaprofis ein langer Weg mit zahllosen Versuchen und Fehlversuchen. Anke Fischer und Jean Carl Demant haben vor mehr als zwanzig Jahren in ihrer Küche angefangen. Beide verbindet die Liebe zum Essen und den guten Lebensmitteln. Mit einer kleinen Haushaltsmaschine kurbeln sie ihren ersten Pastateig bis auf die richtige Dicke herunter und bringen ihn in die gewünschte Form. Das Ergebnis ermutigt sie, in immer grösserem Massstab weiterzumachen. Sie wechseln von der privaten Küche in die Produktionsräume der Berliner Biobäckerei, in der Anke Fischer damals noch arbeitet. Als die Nachfrage auch hier die Produktionsbedingungen sprengt, machen sich die Zwei selbstständig und finden am Ende die Halle, in der die Firma heute noch Pasta herstellt. Mittlerweile beschäftigen sie 15 Mitarbeiter.

Jean Carl Demant faltet inzwischen aus dem zu Quadraten geschnittenen Teig Tortellacci, eine Art Riesentortellini, jede einzelne von Hand. Ich weiss schon, dass ihre Füllung köstlich schmeckt: Birne und Ziegenkäse, Pfifferling, Gorgonzola und Feige, Spargel oder Steinpliz.
Meine simple Frage lautet: „Warum schmeckt das Alles bei Euch so gut?“
Die Antwort ist Herrn Demant so klar, dass er schon wieder kurz darüber nachdenken muss:
„Weil wir nur wenige Rohstoffe verwenden und die dann nur in bester Qualität!“
So einfach ist es!

Wenn man so arbeitet, liegt die Liebe zur italienischen Küche nah, lebt sie doch vom Geschmack ihrer Zutaten und der Weisheit des Kochs, alles wegzulassen, was man weglassen kann. Für Jean Carl Demant ist das ein Selbstverständnis, das er auch in der Küche seiner Heimat erfährt. Aufgewachsen in Baden- Württemberg, sieht er seinen Vater von Kindheit an kochen, die Freude am Genuss kennt er aus dem Elternhaus. So tauchen auch schwäbische Klassiker im Sortiment von Nudel & Co auf: Maultaschen, Schupfnudeln und Spätzle gehören fest zum Programm.

Mittlerweile haben sich die beiden Inhaber dieser erstaunlichen Manufaktur ein verzweigtes Netz von Zulieferern aufgebaut, das mitentscheidend für ihren Erfolg ist: Nicht weit von Dallgow- Döberitz haben andere, meist kleine Biobetriebe ihre Nische gefunden und produzieren beste Qualität. Die Produkte, die hier nicht zu bekommen sind, werden aus dem Ausland geliefert, meist aus Italien und Frankreich.
Ob es nicht leichter wäre, wenn sie nicht alles selber herstellen würden, die ganzen verschiedenen Füllungen und Pesti, die Sossen, Knödel und Pastasorten?
„Vielleicht“ sagt Anke Fischer, „aber mir ist es wichtig, dass wir gute Lebensmittel herstellen, die gesund sind und von denen ich weiss, woraus sie gemacht sind.“

Als Koch, als Restaurantbesitzer und vor allem als jemand der gerne isst, bin ich sehr froh, zu wissen dass hier draußen Gleichgesinnte ihren Platz gefunden haben. Zum Abschied bekomme ich frische Tagliatelle in einem feinen Pappschächtelchen geschenkt. Ich stelle sie zärtlich auf dem Beifahrersitz ab und fahre sie, schnurgerade nach Osten, in die grosse Stadt, direkt in meine Küche.

Text und Fotos: Markus Schädel

 

 

Geschrieben von: Markus

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Schädels


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